Wir schreiben das Jahr 1832, als Fürst Metternich seinen damals 16-jährigen Lehrling Franz Sacher mit einem neuen Dessert für seine Gäste beauftragte. „Dass er mir nur keine Schand macht, heut` Abend“, soll er ihm gesagt haben. Franz Sacher erfüllte die Erwartungen seines Auftraggebers und kreierte aus dunkler Schokolade, süßer Marillenmarmelade und weiteren feinen Zutaten die berühmteste Tort der Welt: Die Sachertorte. Noch heute ist sie Herzstück jeder österreichischen Konditorei und ein Stück Kulturgeschichte. Ihr Genuss fordert aber auch einen ethischen Blick auf die Schokoladenindustrie.
Kakaobohne nach der Ernte.
Die dunkle Geschichte des Kakaos
Franz Sacher mag als damals junger Mann noch nichts von den Problemen der Schokoladen Herstellung gewusst haben. Schokolade war nie ethisch. Sie ist seit jeher mit Leid und Ausbeutung verbunden.
Das Encomienda-Systems der Kolonialzeit erlaubte spanischen Kolonisten einst, indigene Bewohner als Arbeitskräfte zu nutzen. Im Gegenzug wollt man für deren Schutz sorgen. Tatsächlich erlebte die Bevölkerung extreme Ausbeutung und unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Im 17. Jahrhundert verschärfte sich die Lage weiter, als Kakao zu einem gängigen Handelsgut der europäischen Oberschicht wurde. Der gestiegenen Nachfrage begegnete man mit einer systematischen Hinwendung zur Sklaverei, die erst im 19. Jahrunhundert langsam endete.
Menschenrechtsverletzungen, niedrige Löhne und Kinderarbeit sind in der Schokoladenindustrie immer noch weit verbreitet. Durch den Massenanbau von Kakao wurden die Probleme der Abholzung und Wasserknappheit in den Regenwäldern immer weiter verschärft.
Kinderarbeit auf den Plantagen
Der dänische Filmemacher Miki Mistrati blickte in seinem Film „Schmutzige Schokolade“ in die Abgründe der Schokoladen Industrie. „Ein Kind kostet 230 Euro“. Gleich einer Ware spricht ein Kakaobauer im Film offen über den offen praktizierten Menschenhandel. „Wenn ihr meinem Bruder sagt, wie viele ihr braucht, dann besorgt er sie euch“, erzählt er den Investigativ Journalisten.
Ein Kind, beispielhaft für viele, die tagtäglich harte Arbeit verrichten müssen.
Rund 70 % des weltweiten Kakaoangebots stammen aus zwei westafrikanischen Ländern: der Elfenbeinküste und Ghana. Insgesamt 1,2 Millionen Tonnen werden dort jährlich produziert. Dennoch gehört das Land zu den 20 ärmsten Staaten weltweit. Nach Angaben der Organisation Transfair arbeiten 600.000 Minderjährige unter sklavenähnlichen Bedingungen auf den Plantagen des Landes.
Das Leid dieser jungen Menschen ist unerträglich. Sie sind gezeichnet von der schweren Arbeit. Sie leiden unter Ekzemen im Gesicht, Ausschlägen am ganzen Körper und tränenden Augen. Mit Macheten müssen sie die reifen Kakaofrüchte von den Bäumen schlagen, die in den Plantagen kultiviert werden. Ständig sind sie mit Pestiziden in Kontakt. Selbst die 30 kg schweren Säcke mit reifen Früchten müssen von den Kindern selbst zu den Sammelstellen gebracht werden.
Ein kleiner Junge aus Mali erzählt von seinen ungeheuerlichen Erlebnissen
„Wir schliefen auf dem Boden einer Hütte aus Schlamm und Stroh. Wir durften sie nur zur Arbeit in den Feldern verlassen. Die Arbeitszeiten waren sehr hart, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, und manchmal, wenn Vollmond war, sogar bis zehn Uhr abends. Uns wurde Lohn versprochen, aber sie sagten, dass wir erst die Kosten der Reise zurückzahlen müssten.“
Ein Kind öffnet eine Kakaofrucht mit einer Machete
„Kinder, die sich weigerten zu arbeiten, wurden mit dem Motorgurt des Traktors geschlagen oder mit Zigaretten verbrannt. Wir bekamen kaum etwas zu essen: mittags zwei Bananen, die wir aßen, ohne die Arbeit zu unterbrechen, und eine Maismehlsuppe am Abend. Einige Kinder sind vor Erschöpfung zusammengebrochen. Diejenigen, die krank wurden, wurden fortgeschafft. Wir haben sie nie wieder gesehen.“
Diskussion über Kinderarbeit
Angesichts dieser Schilderungen mag man es kaum glauben, dass die Diskussion über Kinderarbeit von vielen Anthropologen kritische betrachtet wird. Natürlich liegt es im Interesse aller, aktiv gegen die Versklavung und den Menschenhandel in der Kakaoindustrie vorzugehen. Die breitere Diskussion erfordert jedoch weitaus mehr Differenzierung.
Beispielsweise ist die Kinderbetreuung für die meisten Eltern in Westafrika teuer und schwer zugänglich. Viele Familien stehen vor der Wahl, ihre Kinder unbeaufsichtigt im Dorf zu lassen oder sie mit auf die Farm zu nehmen. Amanda Berlan argumentiert:
„Im Zusammenhang mit Kakao ist Kinderarbeit keine Verletzung der Arbeitsrechte, die in einem sozialen Vakuum stattfindet; sie ist symptomatisch für ein viel breiteres Spektrum an Problemen im Zusammenhang mit dem Kindeswohl, die problematischerweise nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen.“
Es braucht also mehr als ein Verbot von Kinderarbeit. Die Kleinbauern müssten gerechter bezahlt werden, um sich erwachsene Arbeiter leisten zu können. Faire Handelsbedingungen seien dringend erforderlich. Wie hoch das Einkommen sein müsste, um das Überleben und die Existent einer Familie zu sichern, zeigen Statistiken.
Kann Schokolade ethisch sein? Die Bean to Bar Initiative
Viele Hersteller und Produzenten denken bereits um und suchen nach nachhaltigen Alternativen. Immer wichtiger werden dabei kleine Hersteller, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den gesamten Prozess der Schokoladenherstellung selbst zu übernehmen. Das bedeutet, dass sie die Kakaobohnen direkt beziehen, rösten, mahlen, conchieren und zu Schokolade verarbeiten.
Im Detail bedeutet das:
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Von der Bohne bis zur Tafel:
Bean-to-Bar Schokolade wird von einem einzigen Hersteller hergestellt, der den gesamten Prozess von den Kakaobohnen bis zur fertigen Schokoladentafel kontrolliert.
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Transparenz und Qualität:
Bean-to-Bar-Hersteller legen Wert auf transparente Handelsbeziehungen und eine sorgfältige Auswahl der Kakaobohnen, um eine hohe Qualität der Schokolade zu gewährleisten. Mit ihren Kooperationen sichern sie ein gerechtes Leben der Kakaobauern.
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Handwerkliche Herstellung:
Der Prozess der Bean-to-Bar Schokoladenherstellung ist ein Prozess, bei dem viel Wert auf sorgfältige Verarbeitung und individuelle Geschmacksnoten gelegt wird. Wer sich mit Schokolade befasst, kann bei Bean to Bar immer neue Geschmacksnoten entdecken und in die Vielfalt der unterschiedlichen Geschmäcker eintauchen. Jede Sorte bringt unterschiedliche Nuancen mit. Vor allem für Patissiers ist dies interessant.
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Kontrolle über den gesamten Prozess:Durch die Kontrolle des gesamten Prozesses können Bean-to-Bar-Hersteller den Geschmack und die Qualität ihrer Schokolade vom Anfang bis zum Ende beeinflussen und sicherstellen.
Orignial Beans
Original Beans ist einer jener Schokoladenhersteller, der sich auf die Beschaffung seltener Kakaobohnen aus entlegenen Regenwäldern und den Schutz der Kakaobauern sowie der Umwelt konzentriert. Das Unternehmen wurde 2008 von Philipp Kauffmann gegründet.
Gemeinsam setzt man sich für eine regenerative Landwirtschaft und den Erhalt der Artenvielfalt ein und produziert CO2-positive Schokoladen. Ziel ist es, die Kultur von Schokolade, Essen und Luxus zum Guten zu verändern, indem man mit indigenen Stammesführern, Köchen und Patissiers zusammenarbeitet, um eine gerechtere und regenerativere Gesellschaft aufzubauen. Das Unternehmen setzt sich für eine Landwirtschaft ein, die der Erde mehr gibt, als sie nimmt, und unterstützt die Wiederaufforstung und den Schutz der Biodiversität.
Original Beans beschafft Kakaobohnen aus den seltensten und abgelegensten Regenwäldern der Welt, um den ursprünglichen Charakter der Bohnen zu bewahren und ein einzigartiges Geschmackserlebnis zu bieten.

Die Problem der Kakaoindustrie werden auch weiterhin bestehen. Callebaut (Nestle) gestand im Jahr 2015, dass man es nicht geschafft hat, die Probleme der Kinderarbeit in den Griff zu bekommen.
Am Ende steht es jedem Konsumenten frei, seine eigene Entscheidung zu treffen. Und doch bitte ich Sie: Machen auch Sie mir „keine Schand“ und genießen Sie ihre Sachertorte auch weiterhin, aber achten Sie bewusster darauf, welche Schokolade dafür verwendet wurde.
Wer hingegen beruflich mit Schokolade zu tun hat, der ist eingeladen, tiefer in die Welt der Bean to Bar Initiative einzutauchen.
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